"Ein guter Tennisschläger mit schlechten Saiten ist... wie ein Ferrari mit einem Traktormotor." – Lucien Noguès

Vor fast 50 Jahren sah Lucien Noguès das erst Mal eine Bespannungsmaschine - und er kann sich noch genau daran erinnern. "Ich arbeitete in einem Sportgeschäft in Metz, und dort verstaubte eine Bespannungsmaschine in der Ecke", erinnert er sich. "Das Mädchen, das zuvor die Rackets bespannte, war nicht mehr da, und niemand wusste, wie die Maschine funktionierte. Ich bin von Natur aus sehr neugierig. Wenn ich etwas nicht weiß, hake ich nach - und somit lernte ich autodidaktisch, die Maschine zu bedienen - mit einem alten Racket und einer Tennissaite" 

Die ganze Tenniswelt - und insbesondere all jene, die Babolat Saiten und Rackets verwenden - sollten Lucien für seine Neugierde dankbar sein. Heute gibt es wahrscheinlich niemanden auf der ganzen Welt, der mehr über die Bespannung von Tennisrackets weiß als der 72-jährige Franzose. 1981 begann er seine Arbeit bei Babolat und leitete das Bespannungsteam bei Turnieren in ganz Europa, nachdem er von Paul Babolat, dem Großvater des aktuellen CEO Eric Babolat, interviewt worden war.

Das Familienunternehmen, das 1875 von Pierre Babolat in Lyon gegründet wurde, verwendete erstmals Naturdarm für die Herstellung von Tennissaiten und ist seither ständig an vorderster Front der technischen Entwicklung. Das Knowhow von Lucien war ausschlaggebend, da die Tennisschläger aus Holz durch Rackets aus Karbonfaser-Material ersetzt und Schafsdarmsaiten durch Rinderdarm und später Kunststoff abgelöst wurden. 

Die Wissenschaft hat den Wandel des Tennisspiels unterstützt, indem die Spieler mit immer mehr Power, Kontrolle und Spin spielen können. Lucien ist überzeugt, dass die Saiten genauso wichtig sind wie das Racket. "Ein schlechter Rahmen mit guten Saiten ist brauchbar, aber ein guter Rahmen mit schlechten Saiten ist wie ein Ferrari mit einem Traktormotor", erklärt er. 

Babolat VS Bespannungsteam: Der Sieger bei mehr als 100 Grand Slam-Turnieren

 

Als Lucien zum ersten Mal das Babolat Bespannungsteam auf Turnieren leitete, war sein einziges Anliegen, ob er gut genug Englisch sprach. Dank seines Fachwissens und Knowhows gewann er allerdings schnell den Respekt der Spieler. "Sie können sehr wählerisch sein, aber sie wissen einfach ganz genau, was sie wollen", sagt er. "Spieler wie Yannick Noah, Guy Forget, Mats Wilander und die Günthardt Brüder waren immer sehr freundlich zu mir." 

Bereits mehrere Spielergenerationen haben Lucien (der sich mittlerweile auf Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch und Portugiesisch unterhält) ihr Vertrauen geschenkt, bis hin zu Rafael Nadal und Dominic Thiem

Und er weiß, wie wichtig es ist, die Spieler persönlich zu betreuen, auch wenn auf einem Grand Slam-Turnier 20 Besaiter in einem Bespannungsteam arbeiten. 

"Generell haben die Spieler gerne immer denselben Besaiter für ihre Rackets. Daher achten wir darauf, ihnen jeden Tag ein und dieselbe Person und Maschine zur Verfügung zu stellen. Die Spieler sehen die verschiedenen Arten, wie die Besaiter die Rackets bespannen und die Knoten machen. Durch die Art und Weise, wie ein Besaiter einen Tennisschläger bespannt, ändert sich ebenfalls die Reibung zwischen Längs- und Quersaiten. Es beeinflusst das Geräusch, wenn der Ball auf die Saiten auftrifft - und die Spieler möchten beim Schlagen des Balls immer dasselbe Geräusch hören." 

Professionelles Besaiten kann ein 20-Stunden-Job sein. 

 

Auf einem Turnier gibt es häufig eine Person aus dem Umfeld des Spielers, die mit den Besaitern in Kontakt steht. "Aufgrund der großen Menschenmengen können die Spieler nicht zu uns kommen, aber am frühen Morgen bringen sie ihre Rackets häufig selbst zum Bespannen vorbei. Auf den French Open schaut Rafael Nadal gewöhnlich zwei bis drei Mal persönlich bei uns vorbei."
 
Heute wechseln Topspieler ihre Rackets nach jedem Ballwechsel und nehmen bis zu zwölf Rackets auf den Court mit. Nadal verwendet allerdings nur sechs. "Er schickt uns sein Racket bei jedem Ballwechsel herein, um es neu bespannen zu lassen", erklärt Lucien. "Wir wechseln die Saiten und geben es ihm so schnell wie möglich zurück". 

Die Begeisterung von Lucien Nogues für seinen Job ist trotz der hohen Anforderung ungebrochen. "Auf Turnieren beginnen wir vor 6 Uhr morgens und sind nicht vor 2 Uhr morgens am nächsten Tag fertig", erläutert er; "Ein Besaiter kann täglich mehr als 30 oder 40 Rahmen bespannen. Es dauert höchstens 20 Minuten, um ein Racket zu bespannen, aber man muss dazwischen Pausen einlegen, da der Vorgang viel Konzentration erfordert. Es kann sehr stressig sein." 

Obwohl Lucien auf Turnieren fast nie Zeit hat, ein ganzes Match anzusehen, wirft er trotzdem immer einen kurzen Blick auf das Spielgeschehen. "Ich bin ein Fan von Spielern mit viel Kampfgeist wie Nadal und Thiem", sagt er.