'Wenn ich eine Inspiration bin, weil ich mich weigere, aufzugeben, dann macht mich das glücklich.' – Jeff Bourns

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Veröffentlicht am 17/05/22

1999 war Jeff Bourns ein 18-jähriger Schüler in seinem letzten Jahr an der Highschool und auf der Suche nach Inspiration. Seit seiner Kindheit hat er eine Prothese am rechten Bein und sie musste wieder einmal angepasst werden. Während er in der Praxis seines Prothesen- und Orthopädietechnikers saß, blätterte er in einer Zeitschrift.

Er entdeckte einen Artikel über die Paralympics und schaute sich Bild um Bild an, wie Amputierte und paralympische Athletinnen und Athleten sich sportlich miteinander maßen.

"Ich habe den Artikel gelesen und gesagt: 'Hey, das ist cool. Das kann ich auch'", sagt er. Und genau das hat er getan, und seit 2016 ist er Teil der erweiterten Babolat-Familie und Babolat-Markenbotschafter. Nur drei Jahre später gehörte er zu den Top-4-Spielern im adaptiven Tennis im Stehen.

Widrigkeiten und Wettbewerbsgeist spielen schon immer eine Rolle in Jeffs Leben. Im Alter von zwei Jahren musste aufgrund eines angeborenen Defekts sein rechtes Bein unterhalb des Knies amputiert werden, doch er ließ sich davon nicht ausbremsen. Ebenso wenig hat ihn eine weitere Amputation oberhalb des Knies mit neun Jahren aufgehalten. Ebenso wenig das Tethered Spinal Cord Syndrome im Alter von 10 Jahren, bei dem ein Tumor an seiner Wirbelsäule entfernt werden musste und schwere Nervenschäden nach sich zog.

Als begeisterter Sportler hat Jeff schon als Kind an Wettkämpfen teilgenommen. Schwimmen, Baseball, Basketball, Football mit Freunden, Rollerskaten, Mountainbiken. Er spielte sogar in der Tennismannschaft seiner Highschool. Der Artikel über die Paralympics war für ihn der Einstieg in die Welt des Spitzensports für Amputierte. "Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie einen Amputierten in meinem Alter getroffen", sagt der 40-jährige Amerikaner, der in Clear Lake City, einem Vorort von Houston, Texas, lebt, "deshalb war ich sehr gespannt darauf, was es mit dem Amputiertensport auf sich hat. Und ich wollte mich mit anderen messen, die genauso sind wie ich."

Internationales adaptives Tennis im Stehen

 

Mit Ende 20 kam der nächste gesundheitliche Rückschlag, er musste am Rückenmark operiert werden, doch er erholte sich wieder. Er schloss sich einem Rollstuhltennis-Programm in Houston an, aber genau wie als Kind stand er auf dem Tennisplatz auf seiner Prothese und spielte im Stehen statt im Rollstuhl zu sitzen.

Er suchte nach adaptiven Tennisprogrammen für Amputierte, die im Stehen spielten, wurde aber nicht fündig. Also rief er 2014 ein Tennisprogramm für Amputierte ins Leben, bald wurde auch die United States Tennis Association auf ihn aufmerksam. Er wurde ausgewählt, um beim Texas Adaptive and Wheelchair Committee der USTA mitzuarbeiten, mit dem Ziel, die Sportart Adaptive Standing Tennis bekannter zu machen.

"Ich hatte schon immer Spaß am Tennis, einfach den Ball zu schlagen und Tempo zu machen", sagt Jeff. "Ich mag den strategischen und taktischen Aspekt. Beim Spielen gegen körperlich nicht eingeschränkte Kinder musste ich lernen, stark aufzuschlagen und die Punkte schnell zu machen, um Energie für das ganze Match zu haben. Ich mochte es auch, nach dem Spiel mehr über mich selbst zu lernen. Aber jetzt, wo ich etwas älter bin, geht es vor allem darum, neue Freunde zu treffen und neue Spielmöglichkeiten zu schaffen."

Jeff fand eine Gruppe in Südamerika, die eine internationale Tour im adaptiven Tennis im Stehen ins Leben gerufen hat, die TAP World Tour. 2015 war er der erste Amerikaner, der an einem Turnier teilnahm, und kam bis ins Viertelfinale des Masters Final TAP Turniers in Chile. (TAP ist die Abkürzung für das spanische Tenis Adaptivo de Pie, also adaptives Tennis im Stehen.)

"Ich hatte das Glück, die Welt bereisen zu können und dieses wirklich neue Konzept im wettkampfmäßigen Tennis auf hohem Niveau für adaptive Athletinnen und Athleten bekannt zu machen", sagt er. "Dann kam der Gedanke auf, eine Veranstaltung in die USA zu bringen, und das ist uns 2016 in Houston mit den USA TAP Open gelungen."

 

Menschen finden in allem Inspiration

 

Medizinische Notwendigkeiten lassen Jeff Bourns nie lange in Ruhe, und jetzt, da er auf die 40 zugeht, steht ihm eine weitere Operation an der Wirbelsäule bevor, gefolgt von mehr Physiotherapie. Aber er hofft, bald wieder auf dem Platz stehen zu können, und in der Zwischenzeit gibt es genug Arbeit, um das adaptive Tennis im Stehen bekannt zu machen.

Im Augenblick ist Rollstuhltennis die einzige anerkannte Sportart für Menschen mit einer körperlichen Behinderung. Jeff und andere auf der ganzen Welt bemühen sich darum, dass adaptives Tennis im Stehen als offizielle Tenniskategorie anerkannt wird, genau wie Rollstuhltennis.

Es bedeutet ihm viel, Teil der Babolat-Familie zu sein. "Am Anfang hatte ich damit ein wenig zu kämpfen", gibt er zu. "Eine kurze Zeit lang hatte ich das Gefühl, dass ich nicht als gesponserter Sportler dazugehöre. Aber sie haben mich wirklich gut unterstützt und ermutigt, indem sie sagten: 'Hey, wir haben dich ausgewählt, um uns zu vertreten.' Die Unterstützung durch diese Familie ist toll, und sie investieren nicht nur in dich als Athlet, sondern auch als Mensch und Person. Sie möchten, dass es dir auf und auch abseits des Platzes gut geht. Es fühlt sich wirklich wie eine große Familie an."

Jeff Bourns wurde als Kind oft wegen seiner Behinderung gehänselt und fand es nicht immer leicht, sich mit nicht behinderten Sportlern zu messen. Doch er hat nie aufgegeben oder resigniert. "Inspiration ist eines der Wörter, mit denen sich manche Menschen mit Behinderungen schwertun", sagt er, "aber Menschen finden in allem Inspiration. Du bist nicht nur eine Inspiration, weil du behindert bist, sondern die Leute können zu dir aufschauen und sagen, dass du eine Inspiration bist, weil du da draußen bist und kämpfst und dich weigerst aufzugeben oder dich nicht von etwas definieren lässt, wer du bist. Diese Art der Inspiration möchte ich sein.

"Selbst, wenn jemand, der diesen Artikel liest, inspiriert wird und die Möglichkeit hat, eine Form von adaptivem Tennis zu spielen, wäre das großartig."