„Ziel: Weltweite Nummer Eins“ – Cameron Norrie

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Die Zukunft kann man im Tennis bekanntermaßen nur schwer voraussagen. Aber Cameron Norrie hat im Laufe des Jahres bewiesen, dass er sowohl auf dem Tennisplatz als auch darüber hinaus ein seltenes Talent ist.

Anfang des Jahres wurde Cameron gefragt, welchem ATP-Spieler seiner Ansicht nach ein Durchbruch bevorstehen könnte. Er antwortete mit einem leicht verlegenen Kichern: „Am liebsten würde ich sagen: mir selbst. Ich glaube, mir steht dieses Jahr ein Durchbruch bevor. Das ist natürlich eine gewagtes Aussage, aber ich werde mein Bestes geben und schauen, wie es läuft.“

Es hätte kaum besser laufen können. Nachdem Cameron Anfang des Jahres noch nicht einmal unter den Top 70 war, gewann er beim BNP Paribas Open in Indian Wells im Oktober einen der größten Titel im Tennis und erreichte Rang 16. Das war bereits der zweite Titel der Saison seines sechsten Finales und besiegelte seinen Aufstieg in die absolute Elite der Sportart im Alter von 26 Jahren.
 

Cam, wie er auf der Tour genannt wurde, hatte noch nie Angst davor, seine Ambitionen offen auszusprechen. Nachdem er zwei Endspiele auf dem Sandplatz erreicht hatte, sagte er: „Mein Ziel ist es, die weltweite Nummer Eins zu sein, nicht nur die britische Nummer Eins.“

Das letztgenannte Ziel erreichte er durch den Sieg in Indian Wells. Das erstgenannte wird er weiter verfolgen, indem er auf dem Tennisplatz darum kämpft, jeden Punkt für sich zu entscheiden – und zwar mit einem unermüdlichen körperlichen Einsatz, der an die Spielweise Nadals erinnert.

Abgesägter Squash-Schläger

 

Camerons Tennis-Karriere begann in der Einfahrt seines Elternhauses in Auckland, Neuseeland, wo er mit einem abgesägten Squash-Schläger das Schlagen übte.

Seine aus Großbritannien stammenden Eltern David und Helen waren talentierte Squash-Spieler. Helen war außerdem eine sehr gute Läuferin, was auch auf den kleinen Cam abfärbte, der als Kind vielen verschiedenen Sportarten nachging. Den größten Erfolg hatte er allerdings beim Tennis und nach und nach stieg er in die Top 10 der weltbesten Tennisjunioren auf. Seit seinem zwölften Lebensjahr spielt er mit Schlägern von Babolat.

Im Alter von 16 Jahren wusste er, dass es in Neuseeland schwierig sein würde eine Karriere als Tennis-Profi zu beginnen, und entschied sich für einen Umzug nach London, um sich im nationalen Tenniszentrum der britischen Tennisbehörde niederzulassen.

2013 wechselte er die Staatsangehörigkeit, um für Großbritannien zu spielen. Da er die ersten drei Jahre seines Lebens in Südafrika verbracht hat, ist es nicht weiter verwunderlich, dass Cameron angibt, „von überallher“ zu kommen.

Im intensiven Tennisumfeld in diesem neuen Land fiel es ihm zunächst schwer, auf dem Tennisplatz und abseits darüber hinaus sein Glück zu finden. Das änderte sich aber im Jahr 2017, als er ein Stipendium annahm, um an der Texas Christian University Soziologie zu studieren. Das amerikanische College-System half ihm dabei, seine Liebe zum Tennis wiederzuentdecken. Als er im Jahr 2017 beschloss, Profi zu werden, war er unter den College-Studierenden auf Platz eins im Einzel.

„Ich bin dort ein bisschen erwachsener geworden“, sagte er später über seine Zeit in Texas. „Im Leben geht es nicht nur um Tennis. Nach meiner Laufbahn als Junior war ich vom Tennis ein bisschen ausgebrannt und ich wollte etwas anderes machen. Das College half mir dabei, das Tennisspielen wieder zu mögen. Ich hatte das Glück, mit David Roditi und Devin Bowen zwei tolle Coaches zu haben, die mir die Richtung wiesen. Sie brachten mich zurück auf Kurs.“

„Ich habe ihn schon immer für unglaublich gut gehalten“

 

An der TCU traf er den Argentinier Facundo Lugones. Dieser war zunächst sein Team-Partner, ist aber seit dem Beginn seiner Profi-Laufbahn sein Vollzeit-Coach. „Ich habe ihn schon immer für unglaublich gut gehalten“, sagt Facundo. „Die Frage war nur, wann die Sache ins Rollen kommen würde. Ob er sich an die Dinge halten könnte, die funktionieren. Und dranbleiben und einfach nicht aufgeben und sich nicht von schwierigen Momenten enttäuschen lassen würde, wie es in der Vergangenheit bereits geschehen war.

Er hatte immer eine größere Vision. Er wachte morgens immer auf und gab 120 Prozent, ganz egal, was am Vortag passiert war. Ich glaube, wenn jemand diese Fähigkeit hat, kann ihn nichts aufhalten.“

Cameron passte sich sofort an das Leben als Profisportler an und kam schon innerhalb des ersten Jahres nach dem Abschluss des College unter die Top 100. Danach machte er langsamere Fortschritte – bis zu seinem Tabellenaufstieg im Jahr 2021. „Ich werde langsam jedes Jahr besser, ich verbessere immer neue Kleinigkeiten. Ich habe keine großen Sprünge gemacht, und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich dadurch etwas verpasst habe“, sagt Cameron.
 

„Ich habe sehr hart gearbeitet. Ich habe viele tolle Menschen um mich, die mein Bestes wollen. Wir kümmern uns auf dem Tennisplatz und darüber hinaus um jedes kleine Detail, und wir haben das gleiche Ziel vor Augen.

Wenn das alles zusammenkommt, hilft es definitiv. Wir alle teilen dieselbe Leidenschaft für Tennis und den gleichen Willen, zu gewinnen.“